Lass Dich öfter mal enttäuschen!

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Lass Dich öfter mal enttäuschen!

Enttäuschungen – jeder kennt sie, keiner will sie. Warum? Tja, es ist halt keine schöne Sache, enttäuscht zu werden – oder? Könnte eine Enttäuschung auch etwas Gutes sein?

Ich sage: Ja! Ich gehe sogar soweit, sie eine glückliche Fügung zu nennen und behaupte, jede Enttäuschung ist eine gute Sache für denjenigen, der enttäuscht wird!

Aber von vorn.

Nehmen wir das Wort „enttäuschen“ auseinander, bleibt das Verb „täuschen“ und die Vorsilbe „ent“.

Im Duden nachgeschlagen ergeben sich für täuschen die folgenden Definitionen

a. jemandem absichtlich einen falschen Eindruck vermitteln/einen falschen Eindruck entstehen lassen

b. sich irren

c. im Sport: einen Gegner zu einer bestimmten Bewegung/Reaktion verleiten, die man zum eigenen Vorteil ausnutzen kann

Hmm… irgendwie alles jetzt nicht so richtig die feine Art, oder?

Und die Vorsilbe „ent“?

Laut Duden drückt sie in Bildungen mit Verben (was ja hier der Fall ist) aus, dass etwas Rückgängig gemacht wird. Aha – also, bedeutet das Wort „enttäuschen“, dass Dir durch jemanden oder etwas eine Täuschung aufgezeigt wird, weist Dich auf etwas Unehrliches hin. Ent-täuschen heißt, sich nicht mehr zu täuschen.

Klingt doch gar nicht mal verkehrt, oder? Wieso aber ist „enttäuschen“ dann so negativ behaftet?

Tja, ganz einfach: leider sind mit einer „Enttäuschung“ in den allermeisten Fällen negative Emotionen verbunden.

Du bist ja enttäuscht von jemandem oder etwas, wenn Du Dir etwas anders vorgestellt oder anders erwartest hast. Und dass Deine Vorstellungen oder Erwartungen dann eben nicht so eintreten, wie Du es Dir erhofft hast – oder wie man Dich hat glauben lassen, dass sie eintreten werden – das löst dann, verständlicherweise, negative Gefühle bei Dir aus.

Also, nochmal zusammengefasst: eine Enttäuschung an sich ist eine positive Sache. Die Gefühle die im Allgemeinen mit ihr verbunden sind, sind jedoch allermeistens negativ. Und so wird dann aus einer positiven Wortbedeutung ein negativ behaftetes, unschönes Wort im Wortgebrauch.

Und da wir Menschen nunmal vor allem unterbewusst viel mehr durch Emotionen als durch unseren Verstand gesteuert werden, ist die „Enttäuschung“ dazu verurteilt, bei uns als schlecht, negativ behaftet und damit ungewollt zu sein.

Aber halt – der Spieß lässt sich doch auch umdrehen! Wenn es die Emotionen sind, die die Wortbedeutung bestimmen, dann haben wir die uns eigene Interpretation der Enttäuschung ja selbst in der Hand!

Ich sage also: lasst Euch doch mal enttäuschen! Und vor allem: Lasst Euch darauf ein, enttäuscht zu werden!

Beim Tandemfliegen höre ich so oft: „Den Start hatte ich mir viel schwieriger vorgestellt“ oder „ich hab echt nicht erwartet, dass sich das so frei anfühlt da oben“ … das sind doch ganz klassische Enttäuschungen! Anders eingetroffen, als erwartet.

Wir enttäuschen Euch also ständig!

Ihr enttäuscht Euch sogar selbst: „Ich war mir nicht sicher, ob ich das am Start auch wirklich durchziehe“ – auch einer dieser Sätze, der immer wieder kommt – und zwar aus lauter Stolz darüber, wirklich abgehoben zu sein und dem pursten Freiheitsgefühl beim Fliegen beherzt entgegengerannt zu sein.

Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass so jemand dann nach dem Flug freudestrahlend zum Partner hinläutf und sagt:“ Du Schatz, ich hab mich da oben grad echt total enttäuscht!“ … Eher unwahrscheinlich.

Und warum? Weil eben positive Emotionen wie zum Beispiel Stolz nicht mit dem Wort Enttäuschung verknüpft sind. Bei keinem von uns.

Aber genau hier wird‘s wichtig, denn: nur tote Fische schwimmen mit dem Strom 🙂

Du bist verantwortlich für Deine Sicht auf die Dinge und steuerst sie dadurch selbst. Wenn Du es zulässt, Enttäuschungen jeglicher Art anzunehmen – und zwar als etwas Gutes, etwas, das Dir vielleicht einen Sachverhalt aufzeigen will oder Dich gewisse Dinge hinterfragen lässt, etwas, das Dir hilft Deine Zweifel an etwas oder an Dir selbst aufzulösen – dann tust Du damit Dir und Deinem Umfeld etwas sehr, sehr Gutes.

Also: Lass Dich ent-täuschen, ent-täusche andere und ent-täusche vor allem Dich selbst! Denn das bedeutet nichts anderes als einen ehrlichen, respektvollen Umgang miteinander und mit Dir selbst.

und das kann doch nicht verkehrt sein, oder?

Zum Abschluss noch eine Floskel:“ Sorry, ich wollte Dich nicht enttäuschen“.

Also, ich werde mich dafür nicht mehr entschuldigen!